Inflationsgespenst zurück auf dem Börsenparkett – die Nervosität steigt

Investoren schauen heute gebannt in die USA. Dort werden am Nachmittag um 14.30 (MEZ) die neuesten Inflationszahlen veröffentlicht. Das Thema rückte vorübergehend etwas in den Hintergrund. Nach den jüngsten Mitteilungen der Zentralbanken ist es nun wieder top aktuell.

Die kommenden Daten haben das Potenzial das Marktgeschehen kurzfristig zu prägen und die Kurse zumindest kurzfristig stark in die eine oder andere Richtung zu bewegen.

Märkte sind nervöser gewordenBereits letzte Woche reagierten die Märkte äusserst nervös auf Hinweise rund um die Inflation und potenziell weiteren Zinserhöhungen. Damals wurde das Protokoll von der vergangenen Sitzung der US-Notenbank FED veröffentlicht. Die grosse Mehrheit der Mitglieder des FED-Ausschusses gehen von weiteren Zinsschritten aus, welche noch in diesem Jahr erfolgen sollen. Dies nach der jüngsten Entscheidung vom 14. Juni, den Zyklus von Zinserhöhungen vorerst einmal auszusetzen. Grund ist die anhaltend erhöhte Inflation (zuletzt 4%), welche noch deutlich über dem Zielband von 2-3% liegt.

Einen Tag später bestätigten die veröffentlichten und überraschend starken Zahlen über den US-Arbeitsmarkt, ein solches Szenario. Diese deuten weiterhin auf eine robuste US-Wirtschaft hin. Es ist noch nicht lange her, prognostizierten Analysten eine baldige Rezession. Die US-Notenbanker besitzen detailliertere Daten über den aktuellen Zustand der Wirtschaft als Investoren und Analysten.Es scheint demnach, dass die US-Wirtschaft den Wachstumspfad fortsetzt und somit die Inflation weiterhin auf einer höheren Bandbreite verharren wird, was die Fed tatsächlich bald zu einem weiteren Zinsschritt veranlassen könnte. Mit diesem Ausblick reagierten die Märkte letzte Woche weltweit mit einem generellen Rücksetzer.

Inflation rückläufig – jedoch kein schneller TrendEs gibt weiterhin genug Treiber, die dafür sorgen werden, dass die Inflation in den führenden Wirtschaftsnationen während den kommenden Monaten vorerst wohl nur langsam sinken wird. Dafür sorgt eben auch der robuste US-Arbeitsmarkt. Eine hohe Arbeitsmarktauslastung sowie die steigenden Löhne sind Inflationstreiber.

Entspannung kommt hingegen langsam von den Energiepreisen, welche nun auf weit tieferem Niveau als noch vor Jahresfrist sich einzupendeln scheinen. Mit den Produktionskürzungen bei der Ölförderung durch Saudi-Arabien bleiben wohl weit tiefere Ölpreise jedoch aus. Kann von einer anhaltenden stabilen Nachfrage ausgegangen werden. Hier liegt das Risiko sogar darin, dass die Nachfrage eher unterschätzt wird und somit höher ausfallen könnte.

Im Gegenzug sollten die Engpässe bei den Lieferketten bald einmal beseitigt sein. Diese wurden mit den zahlreichen Shut-Downs während der Corona-Krise verursacht. Verstärkt auf diesen Umstand ausgewirkt hat die Umstellung der Unternehmen in ihrer Strategie der Lagerhaltung und Verlagerung der Produktion. Von einer optimierten "Null"-Lagerhaltung und just-in-time Produktion hin zu einem Fertigungsprozess, welcher auch gewisse Vorratshaltung vorsieht. Diese unterdessen mehrheitlich umgesetzten Massnahmen sorgten vorübergehend für eine erhöhte Nachfrage und waren damit ein weiterer zusätzlicher Preistreiber.

Wie schnell sich die einzelnen Faktoren sich im aktuellen Umfeld auf die Inflation auswirken ist für Ökonomen und Investoren schwierig abzuschätzen. Grundsätzlich kann aus aktueller Sicht davon ausgegangen werden, dass sich der Trend einer langsam rückläufigen Inflation fortsetzen wird (vgl. Übersicht "CPI Readings"; CPI: Consumer Price Index)

Mittelfristig könnte sich der Rückgang dann doch eher nochmals beschleunigen, da die Zinserhöhungen doch noch stärker greifen. Nicht ausser Acht zu lassen, der Effekt der globalen Bankenkrise im März auf die Wirtschaft. Die Kreditvergabe durch die Banken wurde seither restriktiver gehandhabt, was sich zusätzlich mildernd auf das Wirtschaftswachstum auswirken wird und somit dämpfend auf die Inflation.Dies gilt für den ökonomischen Ausblick, bei dem nicht von einer bevorstehenden Rezession ausgegangen wird.

Zinshöhepunkt bald erreichtVor 2 Woche hat die australische Notenbank als erste Zentralbank der Industrienationen die Marktteilnehmer mit ihrem Entscheid überrascht, die Zinsen vorerst nicht weiter anzuheben. Der Marktkonsens ging von einem weiteren Anstieg um 25 Basispunkte (0.25%) aus. Dies obwohl die Inflation jüngst im April nochmals einen leichten Sprung nach oben machte. Grundsätzlich sollte die Inflation auch in dieser Wirtschaftsregion den allgemeinen Trend der langsam fallenden Inflation fortsetzen (vgl. Übersicht "CPI Readings").

Die Gratwanderung der Zentralbanken geht somit weiter. Sie versuchen mit der Anhebung der Zinsen die Inflation wieder in die Bandbreite in die 2%-3% zu bringen.Es braucht in etwa 6 Monate, bis sich der Effekt eines Zinsanstieg in der Wirtschaft und Inflationszahl niederschlägt. Berücksichtigt man nun den raschen Zinsanstieg über die letzten 6 Monate, ist wohl erst ab Herbst klar, ob dieses Ziel bald erreicht werden kann oder ob weitere Zinsschritte notwendig sind.

Im Gegenzug ist es aus aktueller Sicht eher unwahrscheinlich, dass dem Zinshöhepunkt baldige Zinssenkungen folgen werden. Der breite Markt ging lange davon aus, korrigierte diese Ansicht jedoch in den vergangenen Wochen.Dabei geht man davon aus, dass die US-Wirtschaft nicht schon bald in eine Rezession abrutschen wird.

Fazit:Die diesjährigen starken Kursavancen waren für die meisten Markteilnehmer doch eher überraschend. Nun suchen Investoren intensivst nach Anhaltspunkten, welche aufzeigen, ob die Kurse in der aktuellen Ausgangslage weiteres Potenzial haben oder ob es an der Zeit ist gewisse Gewinne zu realisieren.

Um den Zeitpunkt der Publikation von wichtigen Wirtschaftsdaten, wie die heutigen Inflationszahlen aus den USA, reagieren die Finanzmärkte oft mit erhöhter Nervosität. Die Investoren mögen keine Unsicherheiten, schliessen vorab ihre Wetten und trennen sich deshalb kurzfristig von Risikopositionen wie Aktien. Dieser Umstand kann wiederum von Leerverkäufern genutzt werden, sog. Short-Seller, welche versuchen die Situation mit Verkäufen von Aktien, ohne diese jedoch zu besitzen, zu ihren Gunsten auszunutzen. Beides zusammen birgt das Potenzial und Gefahr für kurzfristig intensivere Kursrückschläge, wie dies letzte Woche eingetreten ist. Das Gegenteilige Szenario ist in solchen Markphasen auch möglich. Damit resultieren entsprechende Kursgewinne.

Das Thema der Inflation beschäftigt die Märkte nun doch schon eine Weile. Bisher fielen bei erneutem Aufflammen die Ausschläge jedes Mal etwas weniger heftig aus. Die Marktteilnehmer beginnen langsam das Thema besser zu adaptieren.Sollte nun heute und in den kommenden Tagen widererwarten ein starker Dip an den Börsen erfolgen, könnte dies durchaus für Zukäufe, insbesondere von US-Aktien genutzt werden. Dies solange man davon ausgehen darf, dass die US-Wirtschaft nicht in eine starke Rezession abrutscht.

In Europa haben die Aktienindizes während den vergangenen Wochen eher nachgegeben während in den USA die Aktien zulegen konnten, insbesondere die Technologiewerte, getrieben durch das Thema der «Künstlichen Intelligenz» (KI).Die europäische Wirtschaft zeigt sich weit weniger robust als jene in den USA. Zudem scheint die europäische Zentralbank EZB mit ihren notwendigen Zinserhöhungen eher etwas hinterher zu hinken. Abklingende Wirtschaftsdynamik und ansteigende Zinsen sind nicht gerade die beste Voraussetzung für steigende Aktienkurse. Die Märkte scheinen diesen Umstand nun bereits etwas vorweg genommen zu haben. Was wiederum als Potenzial für steigende Aktienkurse gewertet werden könnte.

Geht man grundsätzlich von einem Szenario einer rückläufigen Wirtschaft oder sogar Rezession aus, werden die Zentralbanken von weiteren Zinserhöhungen absehen bzw. sich sogar zu Zinssenkungen veranlasst sehen, was Investoren dann als positives Signal für den Zukauf von Risikopositionen, insbesondere Aktien, werten könnten.Tatsächlich weisen Frühindikatoren wie der sog. PMI (Purchasing Manager Index) in vielen Regionen auf eine sich abklingende Wirtschaftsdynamik hin. Den weiteren Verlauf gilt es aktiv zu beobachten.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Markt gemäss dem sog. Sentiment-Indikator seit Juni wieder in den Bereich der hohen Markteuphorie zurückgekehrt ist. Auch wenn die Börsen eine gewisse Zeit in diesem Bereich verharren und somit weiter ansteigen können, sollten zu diesem Zeitpunkt, wenn überhaupt, nur selektive Käufe getätigt werden. Im Gegenzug sollte man  auf der Hut sein, bei geeignetem Zeitpunkt gewisse Gewinne zu realisieren bzw. sich vor grösseren Kursrückschlägen abzusichern.

«Mein Portfolio»Tatsächlich habe ich in meinem Portfolio etwas Gewinne realisiert, insbesondere Technologie Sektor und bin dabei Einzeltitel mit starker Performance ebenfalls, zumindest einen Teil der Position, jeweils zu verkaufen. Für einen markanten Abbau meiner Aktienpositionen sehe ich vorerst keinen Beweggrund.

Gleichzeitig nutze ich selektive Opportunitäten für Käufe einzelner Titel. Diese hängen meist vom täglichen Marktgeschehen ab.

Zu einem massiven Einstieg in Aktien, wie dies im März während dem Ausbruch der Bankenkrise erfolgte, sehe ich mich aktuell nicht veranlasst. (vgl. den Beitrag «Bank Run sorgt für Beben an Finanzmärkten – Erinnerungen an 2008 – kommt es zum Flächenbrand?» vom 13. März 2023)

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