Nervosität an den Finanzmärkten – bereits leichtes Panik-Level erreicht

  • Unsicherheiten prägen die Finanzmärkte bisher im August: China, Zinsen, Inflation, Rezession
  • Marktkorrekturen von fast 10% richtig nutzen
  • ETFMandate-Portfolio: Nach Gewinnmitnahmen im Juni/Juli bieten sich bei Aktien selektiv im Technologiesektor und China Chancen

Nach der euphorischen Stimmung im Juli, welche für weitere Kursavancen sorgte, kannten die wichtigsten globalen Aktienmärkte seit dem Beginn des Monats August nur eine Richtung, nach unten. So haben die während der ersten Jahreshälfte am besten performenden Technologiewerte seit ihrem vorübergehenden Höchststand am 31. Juli rund 9% korrigiert, während der globale Aktienindex im selben Zeitraum gut 5% verlor.

Der August gilt im langjährigen Durchschnitt nicht als der beste Börsenmonat. Viele Marktakteure befinden sich im Sommerurlaub, weshalb die Handelsvolumen an den Märkten in diesem Zeitraum eher gering ausfallen und die Börsenindizes normalerweise eher vor sich hindümpeln. In diesem Jahr eher aussergewöhnlich waren jedoch die aufgrund diverser Faktoren aufkommende Nervosität, welche für grössere Ausschläge der Kurse mehrheitlich gegen unten zur Folge hatten.

Diverse Unsicherheitsfaktoren – China, Zinsen, Inflation, RezessionDiverse Faktoren sorgen aktuell für Unsicherheit an den Märkten. So bereitet unter anderem die Wirtschaft von China den Investoren grössere Sorgen. Die zuletzt publizierten Wirtschaftszahlen fielen enttäuschend aus. Der Wirtschaft der Volksrepublik droht Gefahr einer Deflation. Weshalb umso mehr überraschte, dass die chinesische Zentralbank diese Woche die Zinsen weniger stark senkte als dies vom Grossteil der Analysten erwartet wurde. Gleichzeitig steht einer der weltweit grössten Immobilienmärkte einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit und droht in Schieflage zu geraten. Der Immobilienkonzern Evergrande beantragte für seine ausländischen Anleihen Insolvenz in Amerika. Bereits zu Beginn des Jahres 2022 drohte der Fall des grössten chinesischen Immobilienkonzerns (s. Beitrag auf ETFMandat publiziert am 3. Januar 2022: «Korrektur voraus? Folgt bald der grosse “Ever”-Schock?»). Aktuell ist der Immobilienkonzern über Anleihen und andere Schuldtitel mit 31.7 Milliarden US-Dollar im Ausland verschuldet. Evergrande erhofft sich mit dem Antrag auf Gläubigerschutz Zeit für seine Restrukturierung der Schulden zu gewinnen und schlussendliche mit den Gläubigern eine Lösung zu finden.Mit Country Garden wankt aktuell ein weiterer Immobiliengigant in der Volksrepublik. Ein Teil seiner Anleihen wurden vorübergehend vom Handel ausgesetzt. Gemäss Medienberichten geht das Unternehmen derzeit die Restrukturierung seiner Schulden an. Zum Jahreswechsel betrug die Verschuldung umgerechnet 194 Milliarden US-Dollar. Für das erste Halbjahr wurde ein Verlust von USD 7.6 Milliarden angekündigt. Das Unternehmen konnte eine im August fällige Zinszahlung von USD 22 Millionen für seine Anleihen bisher nicht begleichen. Es bleibt eine Frist von 30 Tagen ab Zinstermin. Im September stehen umgerechnet 1.25 Milliarden US-Dollar an Zinszahlungen auf heimische Anleihen an. Aktuell ist unklar ob diese Zinszahlungen jemals vollends oder zumindest teilweise geleistet werden können.

In den USA sind nach der vorübergehenden Beruhigung erneut Zinsängste aufgeflammt. Investoren gingen nach der letzten Leitzinserhöhung im Juli durch die US-Notenbank Fed noch von einer Zinspause bzw. vom Erreichen des Höchststandes bei den US-Zinsen aus. Mit den jüngst publizierten Inflationszahlen sowie Arbeitsmarktdaten ist die Unsicherheit über eine weitere Erhöhung beim nächsten Fed-Meeting im September zurück. Zudem sorgt ein um gut 10%  angestiegener Ölpreis für zusätzliche Fantasie für einen potenziellen Anstieg bei der Inflation, welche wiederum für anziehende Zinsen sorgen könnte.Der Raum für eine weitere unmittelbar bevorstehende Zinserhöhung bleibt deshalb tatsächlich offen, auch wenn aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich. Die aktuelle Nervosität und Sorge diesbezüglich erscheinen jedoch eher als übertrieben. Sollte das Fed sich tatsächlich für eine weitere Erhöhung im September oder im Folgemonat entscheiden, wäre ein um 0.25% höheres Zinsniveau nicht derart relevant, dass dies die Wirtschaft und somit die Finanzmärkte im grösseren Stil negativ beeinflussen wird. Man darf derzeit davon ausgehen, dass der Zinszyklus bereits jetzt oder zumindest bald seinen Höhepunkt erreicht haben wird.

Mit den doch über eine kurze Zeitperiode stark angestiegenen Zinsen läuft eine Wirtschaft Gefahr, dass der Wirtschaftszyklus abgewürgt wird und somit eine Rezession droht. Obwohl von Analysten seit geraumer Zeit prognostiziert, ist bisher die Rezession in den USA ausgeblieben. Zum heutigen Zeitpunkt gibt es keine Anzeichen als würde eine solche umgehend bevorstehen. Die Unternehmen weisen weiterhin solide Unternehmensergebnisse aus. Jedoch publizieren diese etwas vorsichtigere Ausblicke für das nächste Quartal bzw. für das zweite Halbjahr. Der Arbeitsmarkt zeigt sich sehr robust, jedoch nicht überhitzt, was dann wiederum die Inflation befeuern würde.

Fazit:Die chinesische Wirtschaft zeigte nach den etlichen Corona-Lockdowns nicht wie erwartet eine starke Erholung. Die Chinesen halten sich im Konsum zurück, ausländische Unternehmen verlagern aufgrund der Lieferengpass-Problematik gewisse Produktionsstandorte weg aus China, weshalb auch die Exporte sinken, die Arbeitslosigkeit steigt, insbesondere bei der jungen Bevölkerung etc. Der grossen und global wichtigen Wirtschaftsnation droht ein deflationäres Szenario. Trotzdem hält sich die chinesische Regierung vorerst mit Stützungsmassnahmen der chinesischen Wirtschaft zurück. All diese Faktoren sorgen aktuell bei den Anlegern nicht für Zuversicht bei chinesischen Unternehmen. Im Gegenzug zu den westlichen Märkten, weisen die wichtigsten Aktienindizes von China seit Jahresbeginn negative Vorzeichen auf. Somit wurde bereits viel der aktuell vorherrschenden negativen Faktoren vorweggenommen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die chinesischen Behörden einen unkontrollierten Fall des Immobiliensektors zulassen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass in den kommenden Tagen und Wochen themen-spezifische News für gewisse Unsicherheiten sorgen und somit Volatilität an den Märkten auslösen.

Das Stimmungsbarometer hat sich über einen längeren Zeitraum im euphorischen Bereich bewegt und ist mit vergangenen Kurskorrekturen vorübergehend während den letzten Tagen auf ein leichtes Paniklevel gefallen. Aktuell befindet sich das Barometer in einem neutralen Bereich. Panik- bzw. extremes Paniklevel ist oft der Moment, in jenem sich Zukäufe für einen mittel- bis längerfristigen Erfolg lohnen.

Aktuell sind wichtige Investoren und die grösseren Finanzinstitute insgesamt eher vorsichtig bzw. zurückhaltend eingestellt und sind somit nicht übermässig in Risikopapieren wie Aktien investiert. Aufgrund dieser aktuellen Positionierung besteht geringere Gefahr, dass massive Verkäufe von grösseren Aktienpaketen anstehen und für sinkende Aktienindizes sorgen könnten. Im Gegenteil, steigen die Kurse über die nächsten Tage und Wochen, wären diese gezwungen ihre Positionen bei Aktien zu erhöhen um nicht wie über das erste Halbjahr die grossen Performance-Bewegungen zu verpassen.

«Mein Portfolio»In meiner vorangehenden Publikation «Inflationsgespenst zurück auf dem Börsenparkett – die Nervosität steigt» vom 12. Juli 2023 wie auch in den Newslettern mit dem Update zum ETFMandate-Portfolio und den darin ausgeführten Transaktionen, habe ich darauf hingewiesen, dass der Zeitpunkt gekommen ist, nach den starken Kursavancen während der ersten Jahreshälfte insbesondere bei den Technologieaktien, einen Teil der Gewinne mitzunehmen. Im Verlaufe des Monats Juli wurde dies, aufgrund der euphorischen Stimmung, welche für weiter steigende Aktienkurse sorgte, mit weiteren selektiv ausgeführten Teil-Verkäufen intensiviert.

Die einleitend erwähnten Kurskorrekturen über die vergangenen drei Wochen welche auch als gesunde Konsolidierung des Marktes angesehen werden kann, können und wurden wiederum genutzt, das Exposure in Aktien, selektiv zu erhöhen. Gerade in Phasen, welche von Unsicherheiten geprägt sind, werden Titel, welche nur für leichte Enttäuschung während der Berichtesaison sorgen, massiv und z.T. übertrieben abgestraft. Diese als irrational einzustufende Kursbewegungen ergeben jeweils guten Opportunitäten für zukünftige Kursgewinne, während zugleich fallende Kurse eher unwahrscheinlicher werden.Die kommenden Tagen und Wochen können weiterhin von schwankenden Märkten gekennzeichnet sein, bis bessere Klarheit bei den Faktoren herrscht, welche aktuell die Investoren verunsichern.

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